Von der „Fettwaage“ zum Standardisierten Phasenwinkel (SPA)

Der Phasenwinkel als prognostischer Indikator: Stärken und Grenzen eines potenziellen Screening-Instruments

Nachdem anfangs in Deutschland die BIA-Fettmessung („Körperfettwaagen“) einen Boom erlebte, ist jetzt der Phasenwinkel (PhA) in den allgemeinen Focus gerückt. Er wird nahezu als Maß aller Dinge angesehen, was das Ausmaß von Gesundheitsstörungen angeht: von der Ernährungssituation über den Grad einer Entzündung bis zum Einschätzen einer Krebserkrankung.
Die Aussagekraft des Phasenwinkel ist ohne Zweifel für die Einschätzung von Gesundheitszuständen von großer Bedeutung, muss jedoch mit Einschränkungen betrachtet werden.

Der Phasenwinkel (PhA) beschreibt die Verzögerung zwischen Spannung und Strom und wird von phasenempfindlichen Geräten unter Verwendung der geometrischen Beziehung zwischen R und Xc direkt gemessen.
PhA charakterisiert die Flüssigkeitsverteilung zwischen dem extrazellulären und dem intrazellulären Kompartiment (E/I).

Damit kann der PhA durchaus als ein allgemeiner Indikator für den Ernährungszustand angesehen werden, jedoch nicht bei Patienten, bei denen eine Störung des Körperwassers vorliegt.
Elektro-physiologisch bedingt, führt ein dehydriertes Gewebe zu einem Anstieg, und ein überwässerter Organismus zu einem Abfall des PhA.

So konnte z.B. bei Patienten mit einem verstärkten Entzündungsprozess, wie bei der SARS-CoV-2-Infektion [13,14] gezeigt werden, dass die entzündungsbedingte Hyperhydratation unabhängig von der Körperzusammensetzung zu einem Rückgang des PhA beiträgt [15].
Die Interpretation des PhA erfordert die Berücksichtigung des Impedanzvectors, um die Ausdehnung oder Einschränkung des gesamten Körperwassers zu identifizieren [11]. Wie in dieser Studie bewiesen, ist der PhA ein Biomarker sowohl für Unterernährung als auch für den Entzündungszustand, der mit diesen akuten und schweren Erkrankungen einhergehen kann [11].

PhA ist ein einzigartiger Prädiktor für die Sterblichkeit bei verschiedenen klinischen Zuständen und ein potenziell nützliches Screening-Instrument für die Prognose [11, 16]. Im Einzelfall muss das gesamte Körperwasser berücksichtigt werden, was durch das Hinzuziehen des Impedanz-Vectors gelingt.

In jüngster Zeit hat der standardisierte PhA (SPhA) an Interesse gewonnen, da er es ermöglicht, einen individuellen PhA-Wert mit normativen Daten der gesunden Bevölkerung zu vergleichen, die nach Alter und Geschlecht stratifiziert sind (mehr unter Phasenwinkel).
(Anmerkung: das oben genannte Beispiel findet sich unter: Cornejo-Pareja I et al. Clin Nutr. 2022 Dec; 41(12): 3106–3114. doi: 10.1016/j.clnu.2021.02.017

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In letzter Zeit finden sich zunehmend Veröffentlichungen, in denen der Phasenwinkel (PhA oder PA) als ein „einfach zu handhabendes Diagnoseinstrument zu Erkrankungen“ beschrieben wird.
Barrea et al (1) empfehlen den PA zum Beispiel „zum Nachweis von Entzündungen anstelle von Blutproben und teuren biochemischen Tests“.
Im zweiten Beispiel deuten die Kollegen um Akamatu (2) die Ergebnisse ihrer vergleichenden Untersuchungen mit verschiedenen Verfahren als Hinweis, dass „der PhA ein nützlicher Index für die einfache Messung der Muskelqualität sein kann, .“.

Der Wert dieser beispielhaft aufgeführten Arbeiten soll nicht geschmälert werden, nur lässt sich die These einer direkten Korrelation vom Phasenwinkel, einer rechnerischen Größe, zu laborchemischen Ergebnissen nicht halten.
Der Phasenwinkel, zweifellos ein wertvolles Instrument zur Einschätzung der Qualität der Körperzusammensetzung, kann ohne die gleichzeitige Betrachtung der Hydratation – d.h. extra- und intrazelluläres Wasser – nicht korrekt interpretiert werden. Sollten beide Wasserräume vermindert sein, wie z.B. bei Untergewicht mit Dehydratation (Anorexie), ergibt sich ein normaler PhA.

Aus: Lukaski, H.C., Talluri, A. Phase angle as an index of physiological status: validating bioelectrical assessments of hydration and cell mass in health and disease. Rev Endocr Metab Disord 24, 371–379 (2023). https://doi.org/10.1007/s11154-022-09764-3

Die geforderte Einbeziehung der Hydration gelingt, indem in einer bivariaten (vektoriellen) Darstellung die beiden Komponenten der BIA (Xc und Rz) gegeneinander aufgetragen werden. (siehe: Bodyvector). Die Länge des Impedanzvectors (Z) entspricht der gesamten Hydratation, der Phasenwinkel zeigt, wo sich das Wasser befindet; langer Vector = ausgetrocknetes Gewebe – niedriger Phasenwinkel = schlechter Ernährungszustand (beides gilt vice versa).

(1) Barrea L, Muscogiuri G, Aprano S, Vetrani C, de Alteriis G, Varcamonti L, et al. Phase angle as an easy diagnostic tool for the nutritionist in the evaluation of inflammatory changes during the active stage of a very low-calorie ketogenic diet. Int J Obes. 2022. https://doi.org/10.1038/s41366-022-01152-w.
(2) Akamatzu Y, Phase angle from bioelectrical impedance analysis is a useful indicator of muscle quality Journal of Cachexia, Sarcopenia and Muscle 2022; 13: 180–189 DOI: 10.1002/jcsm.12860

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