BIVA-Grundlagen
Von der BIA zur BIVA
(Bioelektrische Impedanz-Vectoranalyse)
Ein historischer Überblick
In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts suchten die ersten Forschungsgruppen in den USA (Nyboer, Lukaski, Kushner, Meguid und andere) nach Methoden zur Bestimmbarkeit von Körpermassen und von Flüssigkeitsverteilungen im menschlichen Organismus. Sie nutzten Erkenntnisse des französischen Arztes Thomasset, der bereits in den 6oer Jahren einen Zusammenhang zwischen Wechselstromwiderstand und Körperflüssigkeiten feststellte.
In vielen Studien konnten sie Referenz- bzw. Normwerte für die gesunde Population herausarbeiten. Alle Berechnungen der einzelnen Körperkompartimente erfolgten (und erfolgen immer noch) über Volumenberechnungen unter Einbeziehung von anthropometrischen Daten.
Im weiteren Verlauf wurde versucht, mit Hilfe von „immer besseren“ Formeln eine präzisere Aussage über die Köperzusammensetzung treffen zu können.
Die Einbeziehung des Phasenwinkels PA durch H. Lukaski erwies sich als ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg. Zunehmend wurde deutlich, dass die Volumenbestimmung und selbst die Kenntnis der Volumina nicht zur Erkennung von Mangelzuständen (Ernährung und Hydratation) ausreicht; denn die Genauigkeit der Vorhersage aller Berechnungsmodelle nimmt ab, wenn die Körperkomposition durch Krankheiten stark vom Gesunden abweicht, sei es im Hinblick auf Nutrition, Hydratation oder beider Komponenten. Dies gilt insbesondere für Krankheiten, die mit einer chronischen Entzündung einhergehen. Anfang der 90er Jahre brachte die oben beschriebene Kritik für die Zuverlässigkeit der Methode bei von der Norm abweichenden Probanden eine neue Interpretationsweise hervor: die reine Betrachtung der BIA-Rohdaten. Mit diesem Verfahren der „Rohwert“- Analyse war die Grundbedingung einer konstanten Hydratation von 73% überwunden bzw. nicht mehr erforderlich.
Direkte qualitative Gewebeanalyse mit dem BIVA-Ansatz und dem Bivagraph®-Nomogram.
Die quantitative oder auch „klassische BIA“ setzt bezüglich der Genauigkeit von Vorhersage-Ergebnissen eine konstante, physiologische Hydratation von 73% voraus, (bedeutet: 73% des gesamten Körperwassers befindet sich in der Fettfreien Masse FFM, und das Wasser in den Fettzellen wird vernachlässigt). Für diverse körperliche Zustände, wie z.B. Nieren- oder Herzinsuffizienz, Diabetes2, Medikamenteneinnahme oder aber auch im Sport trifft eine normale Hydratation entweder krankheitsbedingt, medikamentös oder durch hohe sportliche Aktivität oft nicht zu, sodass eigentlich für jeden Zustand einer veränderten Hydratation eine eigene Formel zur korrekten quantitativen Berechnung der Kompartimente und Mengen erforderlich wäre.
Dies ist nur annähernd möglich, weil nicht nur für jede spezielle Gruppe gesonderte Algorithmen erstellt werden müssten, sondern weil auch die individuellen körperlichen Veränderungen bei gleicher Erkrankung sehr unterschiedlich verlaufen können.
Durch die Bio-Impedanz-Vector-Analyse BIVA nach A. Piccoli ist die Problematik einer geforderten konstanten Hydratation überwunden. Bei der BIVA gehen nur noch die gemessenen physikalischen Rohwerte für R und Xc in die Analyse ein – daher auch RXc-Graph genannt. Damit konnte/kann erstmalig jede veränderte extrazelluläre Hydratation (R) mit der zellulären (Xc, analog dem Nutritionsstatus) auf qualitativer Ebene verglichen werden.
- Die Widerstände werden als Vectorpunkt in einem biplanaren Diagram (BIVA-Nomogramm nach A. Piccoli), also in einem X-Y-Diagramm dargestellt. Die Länge des gemeinsamen Vectors entspricht dem elektrischen Widerstand des Körpers (Impedanz Z).
- Dem Diagramm ist die statistische Normalverteilung (Gauß-Verteilung) einer Referenz-Bevölkerung hinterlegt (z.B. kaukasische Bevölkerung), differenziert dargestellt nach der statistischen Häufigkeitsverteilung als Ellipsen (50%, 75% und 95 % Verteilungs-Ellipsen).
- Die 50%-Verteilungsellipse wird dabei als „normal“ angenommen. Es ist unbedingt zu beachten, dass Messwerte, die in dieser 50%-Ellipse liegen, zwar anhand ihrer Merkmale statistisch diesem Normalbereich zugeordnet werden, was jedoch im Einzelfall nicht unbedingt mit „Gesundheit“ gleichgesetzt werden kann und daher weiterer BIVA-Parameter bedarf.
- Der Vergleich der individuellen Messung mit der Norm erfolgt visuell, analog nach Lage des Vectorpunktes und Länge des Vectors im Referenz-Diagramm. Das Ergebnis der Analyse ist daher ein überwiegend qualitatives, semi-quantitatives, visuell analoges Ergebnis – ohne rechnerische Abschätzung bzw. Angaben von quantitativen Größen. Die Ergebnisse der Vectoranalyse sind keine parametrischen Ergebnisse.
- Der resistive Widerstand R entspricht der Länge des Vectors und gibt im X-Y-Diagramm Auskunft über die Hydratation des Körpers.
- Der kapazitive Widerstand Xc hat Einfluss auf die Lage des Vectorpunktes und gibt im X-Y-Diagramm Auskunft über die Gesamtheit des Widerstandes der stoffwechselaktiven Körperzellen und repräsentiert somit den Nutritionsstatus.
- Der Phasenwinkel steht für das Verhältnis aus Hydratation und Nutrition und ist visuell durch die Steilheit des Längenvectors beurteilbar (Grafik x).
- Zusammenfassend befinden sich die Messpunkte von Personen mit normaler Körper-Hydrierung in der 50% Toleranzellipse.
- Der untere Pol der 75%-Ellipse gilt als Schwelle zwischen normalen und (stark) abweichenden Hydratationssituationen in Richtung Überwässerung. Innerhalb der 95%-Ellipse und außerhalb des unteren Pols der 95%-Toleranzellipse fallen Personen mit starker Flüssigkeitsüberladung und Wasserverhaltung (Ödeme, Anarsaka).
- Innerhalb und außerhalb des oberen Pols der 95%-Toleranzellipse fallen Messpunkte von Personen mit starker Dehydrierung und Magerkeit (Anorexie).
Vorteil der modernen Vektoriellen Analyse (BIVA) gegenüber der quantitativen BIA
- Sofortige, visuell analoge Beurteilbarkeit der qualitativen Körperkomposition nach Hydratation und Nutrition und deren Abweichungen von der Norm (De-Hydratation, Hyper-Hydratation, Überernährung, Unterernährung).
- Bestimmung der Körperkompartimente ohne die Zuhilfenahme von Berechnungsformeln und mathematischen Manipulationen der Messwerte.
- Phasenwinkel (PA) für die ad hoc Beurteilung und Verlaufsbeurteilung der Körperkomposition bzw. des Gesundheitsstatus.
- Verlaufs- und Vergleichsmessungen erfolgen sofort visuell analog anhand der “Wanderung“ des Vectorpunktes im Nomogramm.
- Anhand von Hydratation und Nutrition lassen sich in einfacher Weise verschiedene Phänotypen der Körperkomposition zuordnen und unterscheiden, da das Gesamtkörperwasser gewichtsabhängig ist und somit auch die Hydratation der Fettmasse in die Analyse eingeht.
Obwohl die Körperanalyse mit BIVA die Probleme der quantitativen BIA überwinden konnte und das Verfahren nach A. Piccoli schon früher entwickelt war, als es die ESPEN-Guidelines aus 2004 vermuten lassen, wurde es erst viel später und bis heute nur von ganz wenigen Herstellern und teils in abgewandelter Form in die Analyse-Software einbezogen.
Literatur
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Kyle, Ursula G., Piccoli A, and Claude Pichard. „Body composition measurements: interpretation finally made easy for clinical use.“ Current Opinion in Clinical Nutrition & Metabolic Care 6.4 (2003): 387-393.
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Piccoli, A „Bioelectric impedance measurement for fluid status assessment.“ Fluid Overload. Vol. 164. Karger Publishers, 2010. 143-152.